Auch „Genies“ wie Salvador Dali müssen sich gelegentlich Prüfungen unterziehen. Schließlich will der angehende Künstler ja vom jahrhundertelang gewachsenen Wissen der alten Meister profitieren und durch diese Unterwerfung unter das Gestrige nachweisen, dass er sein Gewerbe auf vernünftiger Basis betreibt.
Ziemlich langweilig, nicht? Klar, deswegen leistete sich Dali auch einen einem Kreativen angemessenen Abgang: vor der Abschlusskommission seiner Ausbildung boykottierte er die Prüfung mit der Bemerkung, dass gewöhnliche Sterbliche ihn gar nicht beurteilen könnten. Er wollte seine Maßstäbe ausschließlich selber setzen.
Und er hatte recht! Er als unkonventioneller Traumtänzer wäre zu leicht mit AABA konfrontiert worden, einer Waffe, die sich Kreativen entgegenstellt wie Luftminen im Videospiel.
Was ist AABA? Keine schwedische Popgruppe, schon eher die Grundform der meisten Jazzstandards: zweimal der Grund-Groove, dann ein kleiner Ausflug in neue Welten, um im Schluss-A wieder in vertraute Gefilde zurückzukommen. Eine strikte Form, um die Welt des Unbekannten zu erobern.
Das A im AABA der Kreativität ist das Altvertraute: das geltende Paradigma, die geltende Meinung, was gerade als “gesunder Menschenverstand” gilt. Und eben auch die Formulierungen und Glaubenssätze, die Kreative jahrelang zu hören bekommen. Deshalb Double-A. AA. Für die Tausende von Malen, die Standardformulierungen durch die Ohrmuschel dringen. Und nach Jahren steht ein Change-Maker auf und sagt . . . .: “B”. Die neue Spielregel, der zündende Satz nach der Bisoziation, der Glaubenssatz nach dem Zerbrechen der Mauer.
Die Chancen stehen gut, dass dem Change-Maker bloßes Unverständnis entgegenschlagen wird. Da also davon ausgegangen wird, dass dieser “Unwissende” nur nicht verstanden hat, worum es sich dreht (obwohl der Kreative sich dies schließlich schon einige Jahre anhört), wird ihm mit großem Enthusiasmus folgendes vorgehalten: “A”.
Nicht jeder hat wie der erste Überwinder der Schallmauer ein Fanal wie den Überschallknall zur Verfügung, der etablierte Denksysteme sekundenschnell in den Köpfen aller Menschen kippt. Daher steht der gewöhnliche Change-Maker im Alltag vor dem Problem, dass sein Gegenüber ihn nicht verstehen kann. Ein neuer Glaubenssatz („Ich kann Autos für die Massen bauen“ von Henry Ford) ist eben nicht nur dieser Satz sondern ein neuer Kontext (z.B. breiter Wohlstand), ein neuer Erklärungsrahmen (wie Massenproduktion), manchmal ein neues Paradigma und neue Welten. Ein einziger neuer Glaubenssatz erfordert möglicherweise eine neue Gesellschaft (welchen Sinn macht ein Auto in einer Gesellschaft, die keine Mobilität besitzt?).
Bis dahin hat der Change-Maker allerdings einiges an Frustration zu durchlaufen. Seine Zuhörer, zum ersten Mal mit der neuen Formulierung konfrontiert, vergleichen den Satz mit dem bekannten Erklärungsrahmen, der konventionellen Logik, dem was sie für Praxis halten. Und in diesem Bezugssystem ist der neue Satz schlicht falsch. Also erklären sie dem Unwissenden die „Wahrheit“. AABA! Und daher verweigerte Dali die Prüfung. Er wollte das “A” auf sein “B” nicht mehr hören. Ein Change-Maker gestaltet die Zukunft lieber so, dass seine neue Spielregel Teil des zukünftigen Spieles ist.
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