Mental Convergence II

Wir können als Menschen nur weiterkommen, indem wir entweder das menschliche Individuum entwickeln oder die Menschen geschickter vernetzen resp. sich vernetzen lassen, schrieb ich im ersten Teil des Blogbeitrags. Seit meinen ersten Experimenten mit Mental Convergence in den 90ern lag mein Schwerpunkt bei Arbeit und Forschung eher im zweiten Bereich, also wie vernetze ich Leute gescheiter und erzeuge dadurch Hebel. E-Learning, Social Business, Web 2.0 waren und sind daher Kern meiner Beratungs- und Medienproduktionstätigkeit.

Aber heute sind wir in Bezug auf viele Dinge deutlich weiter und einiges zeigt mir, dass wir auf der „Mental Convergence“- Roadmap möglicherweise vor einigen Quantensprüngen stehen. Und die werden uns Menschen fundamental verändern.

Was ist also der Stand heute?

Sowohl in Bezug auf Soft- und Hardware stehen uns ganz andere Tools zur Verfügung als mir in den 90ern, gerade die mobilen Medien wie die Smartphones helfen erheblich weiter. Das wird von der Quantified Self – Bewegung intensiv genutzt. Sie erforscht einerseits die nötigen Tools, andererseits erzeugen die Nutzer durch die permanente Feedbackschleife enormes Datenmaterial, teilweise auch allgemein zugänglich. Hatte ich früher alle möglichen unverbundenen Teilgeräte wie den Novadreamer oder das Neurolink und führte auf Papier Buch über meine Erlebnisse bei Biofeedback und luzidem Träumen, sind das heute alles Apps mit Portalen dahinter, die oft auch Daten austauschen. Ich habe von Fitnesscoach bis Schlaflabor alles im Smartphone, stecke noch ein paar kleine Add-Ons dran und schon kann ich alles ausprobieren, messen und vor allem die Zusammenhänge betrachten.

Eine meiner Ansätze bei der Mental Convergence war ja, mentale Techniken und die damit erreichten mentalen Zustände wie aus Yoga, Meditation, NLP, Hypnose oder luziden Träumen z.B. durch EEG-Geräte messbar zu machen und in den Computer einzuspeisen, um sie dann durch z.B. Computerspiele besser zu trainieren und zu intensivieren.

Solche Hardware, um auf ihrer Basis spannende Anwendungen zu programmieren gibt es heute zahlreich: MindWave/MindSet von NeuroSky , Iom von Wild Devine , Mattel Mindflex , den Emotiv EPOC  oder das ganze sogar als Open Source Projekt Open EEG.

Vom Team des  EPOC kommt als nächste Stufe der Emotiv Insight, bei dessen Kickstarter-Kampagne ich natürlich Backer wurde. In ihren Worten: “A sleek, multi-channel, wireless headset that monitors your brain activity and translates them into meaningful data you can understand.”

Insight

In den Updates zum Projekt werden zahlreiche Anwendungen beschrieben, die typisch Mental Convergence sind: Musik mit Gedanken erzeugen, Fitnesszustände überprüfen und optimieren, Geräte durch Blick oder Gedanken steuern, Wahrnehmungsstudien, in Echtzeit herausfinden, welcher Kontext für was die beste Performance ergibt.

Hier wird auch mein im Submodalizer angetestetes Szenario weiterentwickelt: Eine Lernumgebung, die sich daran anpasst, wie ich persönlich am besten lerne. Der Insight wird bei einer Anwendung ein Computerspiel so steuern, dass es anders agiert wenn der Spieler entspannt ist, als wenn er gestresst ist.

Das sind erste Schritte zu einem Computerspiel, das mir die für meine Lernfortschritte ideale Lernwelt präsentiert, full immersive! Gerade weil Technologien wie der Oculus Rift  oder Google Glas den Traum ans „Einsteigen“ in den Cyberspace wieder neu beleben. Und seit neustem gibt es auch eine NeuroGaming Konferenz  frei nach dem Motto: “Die Zukunft des Gaming? Möglicherweise bei dir im Kopf“.

Der Kick bei Mental Convergence Anwendungen ist immer wieder die technikgestützte Feedbackschleife. Ich schaue was passiert im Gehirn und wie kann ich es beeinflussen? Was bewirkt das dann bei mir? Fühle ich mich besser, wacher, leistungsfähiger? Wie sieht das Feedback aus, wenn ich mich noch besser fühle? Und dann trainiere ich mich darauf, mit Hilfe des Feedbacks die Zustände direkt mental zu steuern.

Auch bei den luziden Träumen als mental erreichbarer „Full Immersion Erlebnis- und Lernwelt“ hat sich eine Menge getan, nicht nur an Communities, die Best Practices austauschen, sondern auch technologisch. Aus der Quantified Self Bewegung kommen zahlreiche Tools wie der Pulse oder Beddit  zum Ausmessen der Schlafphasen.  Und raffinierte Software wie die von Lucidcode  (in Verbindung mit eben schon erwähnten Geräten wie dem EPOC) finden heraus, ob man träumt und starten dann Programme nach Wahl. Ganz schräge Abenteurer in dem Bereich können so technologiegestützt schon jetzt im Traum über das Internet anderen signalisieren, dass sie träumen … Auch in deren Traum.

Alle diese Anwendungen sind ein enorm ergiebiges Experimentierfeld. Allerdings wird das Gehirn da als eine Art Blackbox betrachtet und wir müssen bewusst über das Feedback lernen, wie wir mental Einfluss nehmen. Parallel forscht die Neurologie aber weiter, und in Projekten wie dem Blue Brain Projekt lernen wir schrittweise die tatsächliche Verschaltung unserer Neuronen. Mit dem Potential, diese Neuronen auch direkt mit neuen Wegen zu verbinden.

Aber vor allem auch die Mustererkennung in der Gehirnforschung entwickelt sich weiter, was dann in der Presse trivial als „Gedankenlesen“ bezeichnet wird. Ansatzweise können wir z.B. bei Ratten messen, was sie gerade denken. Und träumen. Nicht ob, sondern was. Wir könnten in einigen Jahren unsere Träume erkennen und lesen und damit nicht mehr so indirekt arbeiten. Kein Traumtagebuch mehr und den mühsamen Versuch, sich an seine Träume zu erinnern. Nein, einfach aufzeichnen wie das Fernsehprogramm mit einem Festplattenrecorder.

Und wenn wir wieder die Feedbackschleife einbauen, könnten wir doch noch in den nächsten Jahrzehnten die luziden Träume auf Knopfdruck bekommen, die ich in einem meiner Romane schon einmal vorweggenommen habe. Und ich bekomme meinen ultimativen Lern- und Abenteuerspielplatz!

mchorost-2l-leftcolumn-worldDie Steigerung ist dann, worüber Michael Chorost in seinem faszinierenden Buch „World Wide Mind – The Coming Integration of Humanity, Machines and the Internet“ schreibt. Unsere Gedanken nicht nur über Sprache zu verbinden, sondern direkt. Ein Internet das Gehirne verbindet. Und Verbundenheit schafft. Und kombinieren wir diesen Ansatz noch mit dem Internet der Dinge! So bekommen Konzepte wie „sich in jemanden hineinversetzen“ oder „sich mit der Welt verbunden fühlen“ einen ganz neuen Stellenwert. Chorost beschreibt in dem Buch auch eine Sicht auf die evolutionäre Rolle des menschlichen Geistes, die mich seitdem nicht mehr loslässt und die Motivation für die nächste Stufe der Mental Convergence Forschung ist:

„Leute die in den Nachthimmel voller Sterne schauen und sagen ‚Ich fühle mich plötzlich so klein‘ sehen das völlig falsch. Klar sind sie physisch kleiner als eine Galaxie. Aber sie haben dieselbe Anzahl an Neuronen wie die Galaxie Sterne: 100 Milliarden … Aber was können Sterne schon? Ein wenig mit Gravitation aneinander ziehen und wenn sie sich nahe kommen ein wenig Wärme austauschen. Was in unseren Köpfen passiert ist um viele Größenordnungen komplexer, als alles was man am Himmel sieht …  Galaxien sind alt, Gehirne mit Bewusstsein die Sprache benutzen und Werkzeuge bauen sind neu.“ (Michael Chorost, World Wide Mind, Übersetzung meine).

Wir sind die Zukunft  🙂