100 Sendungen Abenteuer Zukunft!

“Das Abenteuer Zukunft” wurde gestartet, um auf eine optimistische, chancenbetonte Art über die Möglichkeiten der Zukunft zu berichten. Und das nicht, weil ich die Kehrseiten mancher Entwicklungen nicht kennen würde, sondern weil sich die deutschsprachigen Medien ausschließlich auf diese Seite warfen und wir auf diese Weise nur die negativen Möglichkeiten wahr machen würden. So spricht Abenteuer Zukunft eher von einem kommenden Zeitalter des Reichtums (DAZ 42), das andere Hypezeitalter wie die Renaissance in den Schatten stellen wird, und von einer Rückkehr der legendären 20er Jahre in wenigen Jahren (DAZ 66) aber mit ganz anderer Größenordnung.

 

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Dazu passend bin ich viele Themen in diesen 100 Sendungen auf ungewöhnliche, teils radikale Weise angegangen, nicht, um damit die Zukunft vorherzusagen, sondern um meine Zuhörer auf ungewöhnliche Ideen zu bringen, mit denen sie selbst eine spannende Zukunft miterschaffen können:

 

  • über eine Medizin der Zukunft, in der Zähne nachwachsen (DAZ 03) und Organe einfach nachproduziert werden  (lange bevor Unternehmen wie Organovo das umzusetzen begannen) oder den Körper der Zukunft, bei dem wir ein paar Features upgraden (DAZ 24),
  • über die Zukunft der Ernährung, in der Slow Food, Smart Food, Molekularküche, Gentechnik und gastronomischer Genuss schräge Allianzen eingehen und wir zum grünen Mann mutieren, der nur essen muss, wenn es ihm Lust bereitet (DAZ 11),
  • über eine Politik der Zukunft, die sich fragt, ob wir Bürger noch Parteien oder Parlamente brauchen (DAZ 16 im Jahr 2006, vor Finanz- und Schuldenkrise) oder ob man nicht direkt eigene Staaten gründet (Seeluft macht frei, DAZ 54),
  • über den Sex der Zukunft, bei dem wir Roboter als lernfähige Partner gewinnen und uns noch ein paar Geschlechter zulegen, da uns nur zwei zu wenige Kombinationsmöglichkeiten sind (DAZ 57),
  • über Sport der Zukunft (DAZ 35), wobei harmlos darüber geplaudert wurde, ob Doping nicht die normalste Sache der Welt sein könnte,
  • über Langlebigkeit, die mit dem Patchworkleben (DAZ 43) mehrere klassische Karrieren und Lebenswege in einem Leben bietet,
  • den Weltraumtourismus, der uns normalen Menschen den Weg ins All ermöglicht (DAZ 65) ,
  • oder über das Kino und Gaming der Zukunft, das direkt in unsere Träume eingespielt wird (DAZ 89).
Ein Leitmotiv bei “Das Abenteuer Zukunft” sind die Enabler, also Innovationen, mit denen wir die Spielregeln, auf denen unsere Gesellschaft beruht nachhaltig verändern können. Deshalb funktionieren alte Kochrezepte, mit denen unsere Industriegesellschaft gewachsen ist so oft nicht mehr. Ein typische Beispiel für so einen Enabler ist der oft erwähnte Nanofabricator in der Garage, also ein Apparat, der bei mir zuhause in der Garage in einer mystischen Blubberbrühe alles produziert, was ich mir wünsche und als Blueprint aus dem Internet downloaden kann: von Handies über Steaks bis zu ganzen Autos. Und auf diese Weise klassischen Welthandel und Kostenvorteile zunichte macht. 2006 war das eine kaum vorstellbare Annahme, heute weiß durch das Maker Movement und die 3D-Drucker jeder, wovon die Rede war.
DAZ 69 “Post Scarcity und Robot Society” schildert genau die Gesellschaft, in der überragende Produktionsmethoden klassische Industrie überflüssig machen oder die Idee, dass man etwas kaufen müsste. Die Sendung war 2009, hierzulande tourte Jeremy Rifkin letztes Jahr durch die Diskussionskreise mit Zero Margin Society und die Medien hörten zu. Die ebenfalls seit letztem Jahr heftig tobende Diskussion über Robotisierung  und die Vernichtung von Arbeitsplätzen habe ich schon früh thematisiert: in “Hyperhumanismus” (DAZ 53).
Aber mein Lieblingsleitmotiv während all dieser Jahre und eine der Kernwerte aller dieser Sendungen ist die Wiederermächtigung des einzelnen Menschen im Verhältnis zu Experten, Organisationen oder Regierungen und der immense Wert, der in einer globalen Vernetzung dieser individuellem kreativen Potentiale liegt. Systematisch bin ich in vielen Sendungen durchgegangen, auf welchen Gebieten der Einzelne, elegant durch die Digitalisierung mit Gleichgesinnten vernetzt, seine Unabhängigkeit wiedergewinnt und für uns alle Außerordentliches bewirkt:

 

  • In “Die Rückkehr der Dilettanten” (DAZ 23) zeige ich, dass begeisterte Nicht-Profis in vielen Feldern mehr leisten können als Profis, weil sie über das Internet das Wissen der Welt zur Verfügung haben und sich für ihre Liebhaberei alle Zeit der Welt nehmen können. Sie tun nur, was sie für richtig und gut halten, Marktforschung oder Expertenmeinungen interessiert sie nicht.
  • “Länger ist doch besser” (DAZ 40), die Sendung über den “Long Tail” bot dann für diese “Nischeninteressierten” den passenden Vermarktungsmechanismus. Was brauchen wir Experten und Bestsellerlisten, wenn wir genau das finden und erwerben können, was nur uns interessiert und beglückt?
  • In “Social Lending” (DAZ 41) geben sich die unabhängigen aufgeklärten Einzelnen gegenseitig Kredit. Und fragen sich, wozu man eigentlich so Dinge wie Banken, Internationale Kreditgeber und ähnliches braucht, wenn die doch gar nicht wissen, wie ich ticke?
  • “Kluger Kopf oder dummer Masse” (DAZ 44)  zusammen mit  “Prediction Markets” (DAZ 74) beschäftigt sich mit dem ungünstig “Wisdom of Crowds” betitelten Phänomen. Denn es ist ja gerade keine Masse, sondern die vernetzte Wirkung von Individuen, die sich so einer Massenmeinung entziehen können. Und es zeigt sich, dass diese vernetzte Intelligenz treffsicherer ist als Hierarchien und Elitenclubs.
  • “Open Source Hardware” (DAZ 55) macht mit dem Glaubenssatz Schluss, diese “Social”-Ideen würden nur für Ideen und Software gelten. Open Source macht sich daran, die Welt dessen was uns umgibt zu übernehmen und die Blueprints der zukünftigen Produkte in Gemeinschaftsarbeit zu erschaffen.
  • “DIY Bio” (DAZ 61) eröffnet dasselbe Feld für die Biologie und sieht das keinesfalls als eine Geringschätzung des Lebendigen, sondern im Gegenteil. Wie der PC “Power to the people” im Vergleich zu Großrechnern war, ist der individuelle Zugang zur Biowissenschaft eine Rückeroberung.
  • “Materialismus” (DAZ 62) spinnt den Gedanken weiter. Wenn wir Hardware nach Bedarf erschaffen können und Wissen immer im Zugriff haben, wofür brauchen wir die ganzen materiellen Güter eigentlich noch? Aber statt dadurch asketisch werden zu wollen, propagiert die Sendung den Reichtum an Möglichkeiten. Wir brauchen nur noch Zugang und nutzen das Potential der ganzen Welt. Jahre später reden auch die klassischen Medien über die Shared Economy, die  beginnt , diese Ideen wahr zu machen.
  • “Wir sind das Studio” (DAZ 63) schildert die veränderten Produktionsbedingungen in der Musik- und Filmindustrie. Da die für das Austoben der Kreativität nötige Technologie heute sehr preiswert zur Verfügung steht, werden wir unabhängig von Sendern und Meinungsmonopolen. Wir können podcasten, youtuben, Nachrichten produzieren, Bücher publizieren, elektronische Musik für die Clubs der Welt mischen. Und sind nur uns selbst verantwortlich.
  • “Cyberdropouts” (DAZ 64) spricht von der geographischen Befreiung. Durch die Vernetzung können wir leben wo wir wollen und gleichzeitig an einer völlig anderen Stelle der Welt arbeiten. Wir müssen nicht mehr in ungeliebte Großstädte oder gehypte In-orte, sondern leben da, wo es uns gut tut und mischen trotzdem an vorderster Front mit. Etwas, was “Landlust” bis heute nicht in letzter Konsequenz kapiert hat.
  • “Kleine Schritte für uns” (DAZ 67) besucht die Part Time Scientists, also das deutsche Team beim Google X-Price, die einen Rover auf den Mond bringen wollen. Was zeigt, dass selbst die großen, menschheitsbewegenden Projekte mittlerweile durch vernetzte Einzelne gestemmt werden können.
  • Ebenso “Citizen Science” (DAZ 78), wo wir anhand des Crowdfunding-Projekts uBiome erfahren, dass auch große Forschungsprojekte durch die digitale Zusammenarbeit der Engagierten aufgesetzt werden können. Was uns unabhängig von Regierungen oder anderen klassischen Geldgebern macht, was dafür sorgt, dass Geld in Dinge fließt, deren Erforschung uns wichtig ist.
Die Zukunft wird von jedem Einzelnen geschaffen und durch die Nutzung der Enabler-Technologien und durch elegante Vernetzung transzendieren wir bisherige Organisationsstrukturen der Menschen, wie Hierarchien oder Expertokratien.
Als eines der aktuellen Projekte entwickele ich bei Abenteuer Zukunft folgerichtig einen Kurs, der Nutzern die Tools und Techniken der Zukunftsforscher, Forecaster, Foresighter, Futuristen, Designer und strategischer Planer an die Hand gibt, um mit angepassten Varianten dieser Methoden das eigene Leben zu entwerfen und dabei zu helfen, eine spannende, vielfältige Zukunft für uns alle zu erschaffen.

Im hundertsten Podcast unterhalten sich Hans-Jürgen Walter – der Begründer des Portals “Das Abenteuer Leben” – und ich über die Hintergründe und weiteren Perspektiven des Podcast. Hören Sie hier mal rein.

Der im Podcast erwähnte CV mit der Story meiner bisherigen Aktivitäten findet sich hier:

 

Renaissance oder Crash – Die Zukunft des Automobilhandels

Wann haben Sie zum letzten Mal ein Auto gekauft? Und wie? Im Autohaus? Oder über ein Portal? Wie werden Sie das in Zukunft handhaben? Oder wollen Sie überhaupt noch ein Auto?

Keine Frage: Eine unserer Schlüsselbranchen ist durch aktuelle Entwicklungen im Umbruch und wie es weitergeht ist unklarer als erwartet.

Während einiger Monate habe ich bei V-max als Teil einer Studie Führungskräfte aus der Automobilindustrie in einem Delphi-Panel interviewt, Macher aus dem Automobilhandel, von Online-Portalen, von Herstellern und Importeuren. Ziel: Eine Idee über die Entwicklung und Möglichkeiten des Automobilhandels in den nächsten Jahren zu bekommen. Bei einigen Dingen waren sich meine Gesprächspartner ziemlich einig, bei anderen waren ihre Meinungen diametral entgegengesetzt. Genau da wird es spannend!

Im ersten Schritt habe ich die Einflussfaktoren, die Treiber zusammengefasst, die mir die Teilnehmer unserer Studie als entscheidend genannt haben. Für jeden dieser Treiber gibt es dann die verschiedenen „Lager“:

Autohandelstudie_Treiber

Als die aus Sicht der Teilnehmer wichtigsten Treiber stellten sich die Digitalisierung und der Wertwandel heraus. Wie sich diese Faktoren entwickeln, wird den Verlauf der Zukunft für den Automobilhandel entscheidend prägen:

  • Ist die Wirkung der Digitalisierung im Verkauf umfassend, führt das zu einer anderen Entwicklung, als wenn der Wunsch nach „mehr Mensch“ zu einem Revival der klassischen Verkaufsstätten führt.
  • Ebenso beim Wertewandel: Ist dieser tiefgreifend und wollen immer weniger Menschen selbst ein Auto besitzen, hat das eine andere Zukunft für die Autohäuser zur Folge, als wenn das nur eine Modewelle ist.

Die extremen Varianten dieser Treiber führten zur Entwicklung von vier Szenarien:

Autohandelstudie_Szenarien

 

Die Story der Zukunft für den Automobilhandel liest sich in den vier Szenarien so:

POS-Power: Die datengetriebenen Händlergruppen nutzten ihre Macht, die ihnen durch den Kundenkontakt gegeben ist in Kombination mit den großen Onlineportalen. Die Schlacht wird am Point-of-Sale geschlagen und die Händler erkennen, dass sie prädestiniert für das umfassende Kundenerlebnis der digitalen Welt sind. Als Mehrmarken-Händler und zusätzlich fokussiert auf Kundengruppen (Geländewagen, Sportwagen etc.) werden sie unabhängiger von einzelnen Brands. Die Hersteller werden entsprechend schwächer, weil sie nicht an die Kunden herankommen und ihre Direktverkaufsversuche scheitern.

Globaler Markenglanz: Der Wertewandel findet nicht statt, die Menschen wollen wieder eigene Autos und wirtschaftliche Boomzeiten führen zu neuem Glanz auf der Straße. Die Hersteller punkten mit erstaunlichen Innovation und neuen Technologien, die jeder besitzen will. Die Brands strahlen wieder auf der Straße. Zahlreiche Entwicklungen in der Wertschöpfungskette nehmen den Herstellern Arbeit ab, für die sie früher den Handel brauchten. Folgerichtig übernehmen sie den überwiegenden Teil der Distribution selbst, mit einer Kombination aus Markenzentren, Agenturen, Online Portalen und eigenen Portalen für Markenprodukte, sowie „hired guns“. Wenige „Leuchtturm“-Händler verbleiben.

Nouvelle Mobilité: Der Wertewandel setzt sich komplett und umfassend durch. Menschen wollen bequem und preiswert mobil sein, aber Autos möchten sie keine mehr. Da Mobilität anhand der Bedürfnisse neu aufgesetzt wird, sind Seiteneinsteiger die neuen Herren am Markt. Handel braucht man nicht mehr, die Hersteller sind nur noch Lieferanten von Prozessbestandteilen in Mobilitätsnetzen. Die werden mit einer Vielzahl an Technologien befüllt, die fast alle aus Asien kommen.

Bits & Lawns: Der Wertewandel setzt sich nicht durch, aber der Preis- und Qualitätsanspruch der durch  Transparenz und Konkurrenz mit dem Treiber Digitalisierung ermöglicht wird. Der klassische Handel gerät gnadenlos unter die Räder. „Geiz ist geil“ trifft Entertainment: „Rabatt und Spiele“ beherrscht die Szene. Wer kann dort überleben? Digitale Welten und Superstores: Der perfekte Onlineshop trifft „Wertheim Village“.

Nun können sich die einzelnen Player am Markt überlegen, wie sie in diesen verschiedenen Zukunftsversionen bestehen könnten. Das ist ja einer der schönen Einsatzgebiete von Szenarien.

Mehr zur Studie gibt es hier, auch eine kostenfreie Kurzzusammenfassung.

ZukunftsstudieCoverVReedom

 

Auch die Podcastfolge 80 von Das Abenteuer Zukunft beschäftigt sich mit der Studie. Hier den Podcast downloaden oder noch besser direkt in iTunes abbonieren.

 

Mental Convergence II

Wir können als Menschen nur weiterkommen, indem wir entweder das menschliche Individuum entwickeln oder die Menschen geschickter vernetzen resp. sich vernetzen lassen, schrieb ich im ersten Teil des Blogbeitrags. Seit meinen ersten Experimenten mit Mental Convergence in den 90ern lag mein Schwerpunkt bei Arbeit und Forschung eher im zweiten Bereich, also wie vernetze ich Leute gescheiter und erzeuge dadurch Hebel. E-Learning, Social Business, Web 2.0 waren und sind daher Kern meiner Beratungs- und Medienproduktionstätigkeit.

Aber heute sind wir in Bezug auf viele Dinge deutlich weiter und einiges zeigt mir, dass wir auf der „Mental Convergence“- Roadmap möglicherweise vor einigen Quantensprüngen stehen. Und die werden uns Menschen fundamental verändern.

Was ist also der Stand heute?

Sowohl in Bezug auf Soft- und Hardware stehen uns ganz andere Tools zur Verfügung als mir in den 90ern, gerade die mobilen Medien wie die Smartphones helfen erheblich weiter. Das wird von der Quantified Self – Bewegung intensiv genutzt. Sie erforscht einerseits die nötigen Tools, andererseits erzeugen die Nutzer durch die permanente Feedbackschleife enormes Datenmaterial, teilweise auch allgemein zugänglich. Hatte ich früher alle möglichen unverbundenen Teilgeräte wie den Novadreamer oder das Neurolink und führte auf Papier Buch über meine Erlebnisse bei Biofeedback und luzidem Träumen, sind das heute alles Apps mit Portalen dahinter, die oft auch Daten austauschen. Ich habe von Fitnesscoach bis Schlaflabor alles im Smartphone, stecke noch ein paar kleine Add-Ons dran und schon kann ich alles ausprobieren, messen und vor allem die Zusammenhänge betrachten.

Eine meiner Ansätze bei der Mental Convergence war ja, mentale Techniken und die damit erreichten mentalen Zustände wie aus Yoga, Meditation, NLP, Hypnose oder luziden Träumen z.B. durch EEG-Geräte messbar zu machen und in den Computer einzuspeisen, um sie dann durch z.B. Computerspiele besser zu trainieren und zu intensivieren.

Solche Hardware, um auf ihrer Basis spannende Anwendungen zu programmieren gibt es heute zahlreich: MindWave/MindSet von NeuroSky , Iom von Wild Devine , Mattel Mindflex , den Emotiv EPOC  oder das ganze sogar als Open Source Projekt Open EEG.

Vom Team des  EPOC kommt als nächste Stufe der Emotiv Insight, bei dessen Kickstarter-Kampagne ich natürlich Backer wurde. In ihren Worten: “A sleek, multi-channel, wireless headset that monitors your brain activity and translates them into meaningful data you can understand.”

Insight

In den Updates zum Projekt werden zahlreiche Anwendungen beschrieben, die typisch Mental Convergence sind: Musik mit Gedanken erzeugen, Fitnesszustände überprüfen und optimieren, Geräte durch Blick oder Gedanken steuern, Wahrnehmungsstudien, in Echtzeit herausfinden, welcher Kontext für was die beste Performance ergibt.

Hier wird auch mein im Submodalizer angetestetes Szenario weiterentwickelt: Eine Lernumgebung, die sich daran anpasst, wie ich persönlich am besten lerne. Der Insight wird bei einer Anwendung ein Computerspiel so steuern, dass es anders agiert wenn der Spieler entspannt ist, als wenn er gestresst ist.

Das sind erste Schritte zu einem Computerspiel, das mir die für meine Lernfortschritte ideale Lernwelt präsentiert, full immersive! Gerade weil Technologien wie der Oculus Rift  oder Google Glas den Traum ans „Einsteigen“ in den Cyberspace wieder neu beleben. Und seit neustem gibt es auch eine NeuroGaming Konferenz  frei nach dem Motto: “Die Zukunft des Gaming? Möglicherweise bei dir im Kopf“.

Der Kick bei Mental Convergence Anwendungen ist immer wieder die technikgestützte Feedbackschleife. Ich schaue was passiert im Gehirn und wie kann ich es beeinflussen? Was bewirkt das dann bei mir? Fühle ich mich besser, wacher, leistungsfähiger? Wie sieht das Feedback aus, wenn ich mich noch besser fühle? Und dann trainiere ich mich darauf, mit Hilfe des Feedbacks die Zustände direkt mental zu steuern.

Auch bei den luziden Träumen als mental erreichbarer „Full Immersion Erlebnis- und Lernwelt“ hat sich eine Menge getan, nicht nur an Communities, die Best Practices austauschen, sondern auch technologisch. Aus der Quantified Self Bewegung kommen zahlreiche Tools wie der Pulse oder Beddit  zum Ausmessen der Schlafphasen.  Und raffinierte Software wie die von Lucidcode  (in Verbindung mit eben schon erwähnten Geräten wie dem EPOC) finden heraus, ob man träumt und starten dann Programme nach Wahl. Ganz schräge Abenteurer in dem Bereich können so technologiegestützt schon jetzt im Traum über das Internet anderen signalisieren, dass sie träumen … Auch in deren Traum.

Alle diese Anwendungen sind ein enorm ergiebiges Experimentierfeld. Allerdings wird das Gehirn da als eine Art Blackbox betrachtet und wir müssen bewusst über das Feedback lernen, wie wir mental Einfluss nehmen. Parallel forscht die Neurologie aber weiter, und in Projekten wie dem Blue Brain Projekt lernen wir schrittweise die tatsächliche Verschaltung unserer Neuronen. Mit dem Potential, diese Neuronen auch direkt mit neuen Wegen zu verbinden.

Aber vor allem auch die Mustererkennung in der Gehirnforschung entwickelt sich weiter, was dann in der Presse trivial als „Gedankenlesen“ bezeichnet wird. Ansatzweise können wir z.B. bei Ratten messen, was sie gerade denken. Und träumen. Nicht ob, sondern was. Wir könnten in einigen Jahren unsere Träume erkennen und lesen und damit nicht mehr so indirekt arbeiten. Kein Traumtagebuch mehr und den mühsamen Versuch, sich an seine Träume zu erinnern. Nein, einfach aufzeichnen wie das Fernsehprogramm mit einem Festplattenrecorder.

Und wenn wir wieder die Feedbackschleife einbauen, könnten wir doch noch in den nächsten Jahrzehnten die luziden Träume auf Knopfdruck bekommen, die ich in einem meiner Romane schon einmal vorweggenommen habe. Und ich bekomme meinen ultimativen Lern- und Abenteuerspielplatz!

mchorost-2l-leftcolumn-worldDie Steigerung ist dann, worüber Michael Chorost in seinem faszinierenden Buch „World Wide Mind – The Coming Integration of Humanity, Machines and the Internet“ schreibt. Unsere Gedanken nicht nur über Sprache zu verbinden, sondern direkt. Ein Internet das Gehirne verbindet. Und Verbundenheit schafft. Und kombinieren wir diesen Ansatz noch mit dem Internet der Dinge! So bekommen Konzepte wie „sich in jemanden hineinversetzen“ oder „sich mit der Welt verbunden fühlen“ einen ganz neuen Stellenwert. Chorost beschreibt in dem Buch auch eine Sicht auf die evolutionäre Rolle des menschlichen Geistes, die mich seitdem nicht mehr loslässt und die Motivation für die nächste Stufe der Mental Convergence Forschung ist:

„Leute die in den Nachthimmel voller Sterne schauen und sagen ‚Ich fühle mich plötzlich so klein‘ sehen das völlig falsch. Klar sind sie physisch kleiner als eine Galaxie. Aber sie haben dieselbe Anzahl an Neuronen wie die Galaxie Sterne: 100 Milliarden … Aber was können Sterne schon? Ein wenig mit Gravitation aneinander ziehen und wenn sie sich nahe kommen ein wenig Wärme austauschen. Was in unseren Köpfen passiert ist um viele Größenordnungen komplexer, als alles was man am Himmel sieht …  Galaxien sind alt, Gehirne mit Bewusstsein die Sprache benutzen und Werkzeuge bauen sind neu.“ (Michael Chorost, World Wide Mind, Übersetzung meine).

Wir sind die Zukunft  🙂

Mental Convergence I

In den 90ern entwickelte ich eine Konzeption, einen „Fahrplan“, wie sich Technologie und die Fähigkeiten des Gehirns zusammen weiterentwickeln können. Auch heute noch gehe ich davon aus, dass diese Themen immer stärker konvergieren werden, daher auch der damals geprägte Name für meinen Fahrplan: Mental Convergence. Da sich einiges auf dem Weg getan hat, diesmal eine kleine Rückschau, mit dem weiteren Fahrplan in die Zukunft im nächsten Blogbeitrag.

Bisher wurde in der Kulturgeschichte des Menschen die Erweiterung seines Geistes durch Ansätze wie Meditation – neumodischer Mentaltraining – betrieben. Schon damit sind ja erstaunliche Dinge möglich, die uns weit vom Alltagsbewusstsein entfernen und neue Erkenntnisse und Abenteuer ermöglichen. Die Kernfrage der Mental Convergence war jetzt, wie man den menschlichen Geist durch Einsatz von Technologie erweitern kann, ggf. irgendwann durch Verschmelzung mit Technologie.

Denn wir wissen ja, man kann als Menschen nur weiterkommen, indem man entweder das menschliche Individuum entwickelt oder die Menschen geschickter vernetzt resp. sich vernetzen lässt. Oder beides. Mental Convergence handelt jetzt eben von der ersten Möglichkeit, vom menschlichen Geist und davon, was ein Mix aus Gehirnforschung, Erkenntnissen über den menschlichen Geist und die Digitalisierung so alles bewirken kann.

Mein erstes Interesse galt dem Lernen. Und nicht nur dem Lernen im Sinne von Zahlen, Daten, Fakten, sondern auch dem, was wir zur Persönlichkeitsentwicklung zählen würden, was in einem Coaching stattfindet. Im Film „The Game“, in dem der von Michael Douglas gespielten Hauptfigur die Teilnahme an einem Spiel geschenkt wird das ihr Leben verändert, wurde mir das Ideal für solches Lernen gezeigt. Das Spiel im Film ist „echt“ in dem Sinne, dass der Teilnehmer mit vollem Erleben in es einsteigt und es deshalb auch tiefgreifenden Wandel bei ihm bewirkt. Und das Spiel ist maßgeschneidert auf seine Persönlichkeit, seine Wahrnehmung und sein tiefliegendes Kernproblem.

„Full immersion“ und auf das Individuum abgestimmt sollte also ein vernünftiges Mental Convergence System zum abenteuerlichen Lernen sein. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich meine Ausbildungen in NLP, Hypnose und Design Human Engineering schon weitgehend abgeschlossen. Das gab mir „Material“ für meine Reise. Im NLP lernt man z.B. dass die Art wie Menschen in ihrem Kopf bestimmte Wahrnehmungen, Gedanken, Ideen darstellen einzigartig für jede Person ist. Es macht einen Unterschied, ob ich bestimmte Ideen als Bilder sehe, oder sie in einem inneren Dialog „höre“. Und um besondere Wirkung zu erzielen müssen z.B. diese Bilder auf eine bestimmte Weise dargeboten werden, was man im NLP „Submodalitäten“ nennt. D.h. werden mir Lerninhalte auf diese Weise maßgeschneidert für meinen Geist präsentiert, bleibt davon eher etwas hängen, als wenn es eine „Standard-Show“ ist.

Das wollte ich – zumindest rudimentär – in Technologie abbilden. In den experimentierfreudigen und zukunftsgierigen 90ern habe ich da mit den aufkommenden 3D-Welten schräge Sachen ausprobiert. Ein Klassiker war mein VRML-Submodalizer von 1997, eine webbasierte 3D-Anwendung, die beim Mentaltraining helfen sollte. Die Anwendung basierte auf der Programmiersprache VRML und verwendete den gerade entwickelten 3D-Sound und MPEG-Video. Der Benutzer konnte direkt einstellen, wie groß das zentrale Bild ist, in welcher Entfernung es erscheint und aus welcher Richtung es kommt. Ebenso konnte er einstellen, aus welcher Richtung und in welcher Lautstärke die “hypnotische Stimme” in seinem Kopfhörer kommt. Auch die Farbe des Hintergrunds war individuell steuerbar. So konnte jeder Benutzer die Darstellung so einstellen, wie er selber es sich “vor seinem geistigen Auge” vorstellen würde. Und genau dieser Vorstellung wird er wohl auch bevorzugt Glauben schenken!

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Wir erinnern uns: das war weit vor dem multimedialen Internet und ein Zeitalter vor den Smartphones. So etwas heute als App mit 3D-Brille zu programmieren wäre natürlich ein Witz. Erstaunlicherweise tut es keiner. Der Zeitgeist ist in Bezug auf solche Dinge völlig unexperimentell.  Es werden lieber Apps programmiert, die gnadenlose Unterwerfung unter irgendeinen Diätpapst protokollieren (von den lobenswerten Ausnahmen mehr im zweiten Teil).

Mein Weg zur Verknüpfung von Geist und Technologie ging damals weiter zu Computerspielen mit Biofeedback, bei denen man die Computersteuerung durch Körpermeßwerte kontrollierte oder bei denen das eigene Empfinden Auswirkungen auf den Spielverlauf hatte (ja, sowas gab es vor rund 20 Jahren auch schon!). Auch so etwas konnte ja in Zukunft zum computerunterstützten Lernen eingesetzt werden.

Die Experimente von damals führten mich zum Lernen mit Spielen, auch in Onlinegames und dazu, dass ich seitdem auf einer alltäglicheren, pragmatischeren Ebene auch im E-Learning-Bereich tätig bin. Die futuristische Agenda dahinter habe ich aber nie vergessen.

Zur gleichen Zeit wie der „VRML-Submodalizer“ beschäftigte ich mich intensiv mit einem anderen „abgefahrenen“ Gebiet, dem luziden Träumen, also der Möglichkeit sich während des Traumes bewusst zu werden, dass man träumt, aber im Traum zu verbleiben. Neben dem Spaß, den man in solchen Träumen erleben kann, ist der Nutzen für mein Thema offensichtlich. Was für eine bessere Game-Machine gibt es bisher als unser Gehirn, wo bekommen wir mehr „Full immersion“ mit allen Sinnen als in unseren Träumen? Das für Lernzwecke oder zur Persönlichkeitsentwicklung zu nutzen solange unsere 3D-Technik noch nicht weit genug ist, erscheint doch nahe liegend, oder? Pioniere wie Paul Tholey versuchten sich dementsprechend auch z.B. am Sporttraining in luziden Träumen.

Ich ging auf dem Mental Convergence Weg das Thema Luzidität neben dem Mentaltraining technologisch an. Tools wie den NovaDreamer oder den DreamSpeaker etc. probierte ich alle aus, als sie auf den Markt kamen, unterstützt durch eigens produzierte Hypnosetapes.

Was mir damals schon auffiel und was prima in mein Konzept passte, war die Ähnlichkeit der Wahrnehmung in Traumwelten und in virtuellen Welten. Oneironauten (so werden die luziden Träumer genannt) müssen z.B. lernen, wie sie ihre Aufmerksamkeit steuern, damit sie im Traum bleiben. Sie müssen erkennen was genau bewirkt, dass man „da“ ist. Experimente am HitLab der University of Washington zur Wahrnehmung in virtuellen Welten zeigten spannenderweise genau dieselben Kriterien, die im Cyberspace dazu führten, dass die Menschen die Illusion als real empfanden und aus ihrer Sicht „da“ waren. Konnte man also unsere mentalen Landschaften und die virtuellen Landschaften irgendwann verschmelzen, um unseren Geist weiterzuentwickeln?

Weiter geht’s mit Mental Convergence im nächsten Blogbeitrag!

Gräbt Big Data historische Ökonomen aus?

Im 19. Jahrhundert versuchte sich die Historische Schule der Nationalökonomie an einem Sonderweg, an einer Alternative zur englisch geprägten “Klassik”. Und gingen damit sang- und klanglos unter. Wilhelm Roscher, Bruno Hildebrand und Karl Knies waren der Meinung, dass es in der Volkswirtschaft nicht einige schöne und klare Formeln gibt, die immer und überall funktionieren. Sondern dass es darauf ankommt, in welcher Kultur und in welcher Situation man das betrachtet. Was an einer Stelle stimmt, kann an anderer Stelle falsch sein. Also schauten sie sich das im Detail an, in einzelnen Kulturen, zu unterschiedlichen Epochen, und sammelten so eine Unmenge an Einzelerkenntnissen.

Nur: Die schicken, eindeutigen Formeln von David Ricardo bis Alfred Marshall waren viel leichter zu vermarkten. Schnörkellose Theorien, mit universellem Anspruch, die überall galten. Und so ist die Volkswirtschaftslehre heute die der angelsächsischem Klassik, zuzüglich einiger in neuerer Zeit hinzugefügter schicker Formeln. Kritiker wie der Wirtschaftshistoriker Henry Spiegel zerreißen die Historische Schule in der Luft und meinen, mit dieser ganzen Sammlung von Einzelfällen könne man überhaupt keine Maßnahmen planen und außerdem läge dieser Sonderweg nur daran, dass die Deutschen die Aufklärung nicht richtig mitgemacht hätten.

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Aber mit dem Einzug von Big Data Ansätzen könnten Ideen vergleichbar denen der historischen Ökonomen eine ungeahnte Renaissance erleben. Und wir könnten vergleichbare Wechsel in der Vorgehensweise auch in anderen Feldern erleben.

Doch wieso waren die historischen Ökonomen eigentlich eine Sackgasse? Der Kernvorwurf an Ansätze wie dem der Historischen Schule ist, dass ihre Erkenntnisse nur “anekdotischen Charakter” hätten, sie würden eben Stories und Daten zu Einzelfällen sammeln, aber das würde wissenschaftlich nichts aussagen. Eine wissenschaftliche Aussage muss überall zum selben Ergebnis kommen, sonst stimmt eben die Aussage nicht. Und so kommt man dann zu einer eindeutigen, schönen Formel, die überall gilt. Und das lässt sich leichter lehren, Politikern und anderen Entscheidern an die Hand geben. Und wenn irgendwas nicht funktioniert … nun, dann hat jemand eben die Formel noch nicht verstanden. Und was man nicht auf diese Weise verkaufen kann, ist eben eine Sackgasse.

Nur steckt dahinter auch ein Problem der Komplexitätsreduktion. Wenn die Erkenntnis auf Hunderttausenden von Einzelfällen beruht, die jedes Mal einzigartig sind, und ich als Entscheider will jetzt wissen, was ich in einer volkswirtschaftlichen Frage tun soll, wie soll ich mich in diesem ganzen Wust zurecht finden? Woher soll ich wissen was passt? Da habe ich doch lieber eine klare Ansage mit einer überall anerkannten Formel.

Und hier kommen jetzt die Big Data Ansätze und ihre Vettern aus dem Bereich „Social“ ins Spiel. Die brillieren nämlich gerade darin, Unmengen an Daten, Ereignissen, „Anekdoten“ etc. verarbeiten zu können und in Sekundenschnelle die Passung von Mustern zu überprüfen. Je ausgefeilter die Analysemethoden werden, je besser das mit Dingen wie Recommendation verknüpft wird, desto eher kann ich mit der Summe an Einzelfällen mehr anfangen als mit der zwangsgleichgeschalteten Einheitlichkeit einer Standarderkenntnis. Das heißt: würde man jahrzehntelange Sammlungen von Anekdoten einer Historischen Schule in ein passend aufgebautes Big Data System stecken, könnte das mir potentiell sagen, welche Muster mit denen ich gerade konfrontiert bin, an anderen Stellen dieser Welt schon einmal aufgetreten ist. Und welche Lösung funktioniert hat und welche eben nicht. Und dieser Lösungsansatz wäre dann sicherlich treffgenauer als das, was die Standardtheorie auswirft.

Wir sehen den selben Zusammenhang auch in anderen Feldern, wie z.B. der Medizin. Auch da wird manchen Heilungsmethoden immer wieder vorgeworfen, dass ihre Erfolge „anekdotischer“ Natur wären, sprich sie funktionieren manchmal erstaunlich gut und in anderen Fällen gar nicht. Im Schnitt dann gar nicht. Aber was interessiert mich der Schnitt, wenn ich derjenige bin, bei dem es funktioniert? Und so versucht man auch dort mit bewährten Standardverfahren orientiert an einem Durchschnittsmenschen zu arbeiten. Einfach weil der Grad an Verschiedenheit für das medizinische System bisher nicht zu verarbeiten war. Bisher. Denn der Weg zur individualisierten Medizin beginnt damit, den Einzelfall als wertvoll zu erkennen. Das eben die Summe der Erkenntnisse aller Einzelfälle einen Schatz birgt und nicht dasselbe ist wie der Schnitt aller Einzelfälle.

Citizen Science

Wie kann es sein, dass ein Forschungsprojekt im Bereich der Mikrobiologie und Medizin 150 Millionen Dollar kostet und dabei während einiger Jahre nur rund 250 Menschen untersucht, ein anderes hingegen in nur einigen Wochen mehr Menschen beteiligt und jeder weniger als 100 Euro zahlt? Die Antwort ist Citizen Science, die Anwendung der Social-Network-Idee auf die Wissenschaft. Und damit ein Trend, der viel bewegen kann.

Science-Cheerleaders

 

(Bildquelle: Scistarter.org)

Das zitierte Projekt ist uBiome, bei dem die Zusammensetzung der Mikroben bestimmt wird, die im und am menschlichen Körper leben. Diese sind interessant, weil nur ein Zehntel der Zellen, die unseren Körper ausmachen, eigene Körperzellen sind, der Rest sind z.B. Bakterien. Der Mensch ist selbst so eine Art Social Network, ein kollaboratives Wesen. Und da wir so langsam verstehen, dass das sogenannte Mikrobiom mitbestimmt, ob wir auf Diäten reagieren oder ob Medikamente bei uns wirken, ist es ein relevantes Forschungsgebiet. uBiome kombiniert jetzt Crowdfunding mit Citizen Science. Teilnehmer/ Sponsoren finanzieren das Projekt über eine Crowdfunding-Plattform und bekommen für das Geld einen Set zum Probennehmen. So hat das Team von uBiome die Finanzierung und die Testpersonen mit Proben, und jeder Teilnehmer eine Analyse seines persönlichen Mikrobioms, eingebunden in ein Netzwerk das ständig neue Auswertungsergebnisse präsentiert.

Dies ist ein typisches Beispiel für „Bürgerwissenschaft“, bei der ganz normale Menschen die Projekte finanzieren, in Umsetzung und Ergebnisse direkt eingebunden sind, im Gegensatz zu klassischer Forschung großer Institute und staatlicher Stellen. Und man sieht eine Menge der Vorteile:

  • Über die Crowdfunding-Finanzierung können die Menschen selbst bestimmen, was sie interessiert, wofür sie ihr Geld ausgeben wollen.
  • Messung und Proben werden durch die Teilnehmer selbst durchgeführt, denn sie interessieren sich mehr als jeder sonst für ihr lokales Umfeld und Sachen wie ihren eigenen Körper. Außerdem sorgt das für große Mengen an Proben und die auch noch vielfältig über die Welt verteilt.
  • Die spannenden wissenschaftlichen Fragen werden selbst durch die Teilnehmer ge- und erfunden, schließlich wissen sie, welche Probleme sie gerne gelöst hätten.
  • Die Ergebnisse werden direkt kommuniziert und genutzt. Denn bei Citizen Science sind die normalen Menschen direkt eingebunden, können Fragen stellen, bekommen ihre Daten und die Erkenntnisse aus allen Daten. Sie sind hautnah dabei.

Wie wäre es, wenn die Forschung zu vielen unserer großen Fragen direkt in den Händen der Bürger läge? Mit dem enormen Hebel, den die „Crowd“ bei Finanzierung, Input und Verbreitung hat?

Mehr dazu im Interview mit Jessica Richman bei Das Abenteuer Zukunft!

Außerdem wurde ich Country Ambassador Deutschland für uBiome und habe zu meinen Erlebnissen dabei einen eigenen Blog eröffnet: Mein Mikrobiom und ich 🙂

 

Die Race-with-Machines-Strategie

Wer ist der beste Schachspieler der Welt? Diese Frage stellt Andrew McAffee, der den Begriff Enterprise 2.0 prägte, in seinem faszinierenden neuen Buch „Race against the machine“. Und spielt damit auf die langjährige Rivalität zwischen Schachgroßmeistern und Computern an. Die Antwort ist aber nicht das eine oder das andere, sondern: ein Team aus Menschen und Computern. Und darin steckt eine aufregende Vision für unsere Zukunft. Fragen sich Menschen, ob wir oder die Roboter gewinnen werden, sollte die Antwort sein: Beide!

Und es sind nicht Teams aus den besten Playern mit den besten Computern. Nein, ein mittelmäßiger Spieler mit einem mittelmäßigen Computer aber beide verknüpft durch einen besseren Prozess schlagen die Top-Maschinen und -Player, wenn diese alleine antreten oder schlecht zusammenarbeiten.

Was diese Zukunftsvision jetzt nicht bedeutet, ist die behäbige Auffassung, dass schon alles gut geht und Dinge wie Robotik oder Digitalisierung keine Konkurrenz zum Menschen sind. Denn das sind sie, wie McAffee in seinen Anfangskapitel unmissverständlich klarmacht. Über diese  bequeme aber irrige Haltung habe ich schon in meinem Beitrag „Drei Säulen“geschrieben: Wenn z.B. im Verkauf behauptet wird, dass „nichts den menschlichen Kontakt im Verkauf ersetzen kann“, dass es „etwas ganz anderes ist, über Internet zu kaufen, die menschliche Beratung sei einfach intensiver und besser, online kaufen hat nur etwas mit dem Preis zu tun“. Das verkennt das Problem, nämlich dass sehr bald die Online-Beratung haushoch besser sein wird als die einzelne Beratung eines Menschen. Ebenso wie im direkten Duell zwischen Großmeister und Computer beim Schach eindeutig der Computer gewinnt.

Aber noch besser ist eben die Kombination. Und das heißt für uns im unternehmerischen Alltag: Beide Seiten in höchster Vollendendung beherrschen: Soft Factors und Digitale Revolution. Und dann genau herausarbeiten, an welchen Punkten sich beide gegenseitig hebeln können, wie man mit der Kombination aus Mensch und Maschine die bisherigen Spielregeln meines Marktes völlig ändern kann. Denn Untersuchungen zeigen: die erfolgreichsten und produktivsten Unternehmen setzen nicht nur z.B. die neuste IT ein, sondern ändern Führungs-, Kommunikations- und Entscheidungsverhalten, ja ihre gesamte Organisation so, dass Technologie ideal genutzt wird. Sie würden eben im Moment nicht einfach „Social Media“ einführen, sondern ihr Unternehmen umbauen, um Web 2.0-Tools ideal einzusetzen. Und diese organisatorische Innovation ist mit einem enormen Hebel möglich. Denn digitale Technologie macht es auch möglich, nicht nur Bits, sondern auch die neu erfundenen Prozesse schnell weltweit zu kopieren.

McAffee’s  Empfehlungen münden in der „Race with machines Strategie“: die Rate und Qualität der organisatorischen Innovation verbessern und die Skills der Mitarbeiter erweitern, mit den Tools der digitalen Welt besser umzugehen.

Was haben Aquarien mit Web 2.0 zu tun?

Vor einigen Wochen traf ich bei einer für Web 2.0 völlig fachfremden Lektüre auf eine gute Metapher für meine Ideen zu Web 2.0. Günther Sterba war ein deutscher Ichthyologe, also ein Fischforscher, seine Aquarienbücher aus den 50er Jahren waren Kultbücher vieler Jugendlicher, die sich noch mit analogen Sachen beschäftigten, wie eben auch ich. Als ich jetzt wieder darin herum las, fand ich Erstaunliches.

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Er schrieb 1955 (in meinen Worten), dass all die Hobbyaquarianer unabdingbar für die professionelle Forschung wären. Denn man könne nicht einfach z.B. das Fortpflanzungsverhalten eines bestimmten Fisches zentral einmal untersuchen und wüsste dann Bescheid. Das hängt von so vielen Faktoren ab, bekannten wie der Wassertemperatur, aber eben auch welchen, die man gar nicht auf dem Radar hat. Und daher funktioniert dann das Züchten bei vielen Leuten nicht, die sich eigentlich an alles gehalten haben, was Experten so erforscht haben. Weil sie eben an einem anderen Standort sind, in einer anderen Situation und andere Einflüsse herrschen. Und kleine Unterschiede haben große Wirkung.

Also daher die Lösung, dass Hundertausende von begeisterten Hobbyaquarianern das jeweils zuhause ausprobieren und sich austauschen. Und dadurch automatisch durch die Verschiedenheit der lokalen Gegebenheiten unzählige Faktoren einbeziehen, austesten, kommunizieren, erkennen. Eine Forschungsleistung, die einzelne Institute weder bezahlen könnten, noch das Personal hätten aber vor allem nicht unter so zahlreichen spontane Bedingungen durchführen könnten. Der ungewöhnliche, stark verteilte, ortsgebundene Mix macht’s. Und dieser Austausch funktionierte damals noch mit . . . Schreck . . . Briefen!

In diesem Beispiel ist alles drin, was für mich die Web 2.0-Idee treibt: viele begeisterte Individualisten einbinden, die auf heterogene Weise für ihre jeweiligen Situationen experimentieren und durch intensive Vernetzung das Wissen und die Fähigkeiten aller vermehren. Und genauso sollten wir dann eben Projekte aufsetzen bei Enterprise 2.0, Innovation und Zukunft. Viele Blickwinkel, Verschiedenheit, Individualität, Heterogenität, bottom-up statt wissender Elite. Deshalb lieber ein Scenario-Projekt mit vielen „normalen“ Menschen als Delphi-Panels mit wenigen Experten, lieber Prediction Markets als operative Planung. Und wenn wir mit dieser Metapher im Kopf einmal über das Gesundheitswesen oder Unternehmensführung nachdenken?