Tod durch Dogma

Nach den Stories über ein eigenartiges Ballet vor Kanonen und der wundersamen Schrumpfung von Musikbands heute eine weitere Geschichte über die Macht der selbstgesetzten Spielregeln auf Innovation und Zukunft.

Ich frage meine Studenten mit einem Biologiehintergrund oft nach den Gesetzen von Morgan zur Molekularbiologie und dem „Zentralen Dogma“. Aber so richtig können Sie sich daran in der Regel nicht erinnern. Vielleicht war da ja fern in der Vergangenheit einmal etwas. Erstaunlich, denn zu der Zeit, als ich im Bio-Leistungskurs saß, war es noch DAS Dogma überhaupt, ein ehernes, unumstößliches Gesetz der Biologie. Es lautet vereinfacht ausgedrückt: Information fließt immer von der DNA in die RNA und dann zu den Proteinen. Noch flapsiger: Von der Genetik zum Körper. Es gibt nur eine Richtung. Information fließt in der Molekularbiologie nie rückwärts. Das war so.

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Nun gibt es ja immer einige trotzige Forscher, die einfach zum Spaß mal das Gegenteil annehmen. Sie werden dann gerne von den wissenden Kollegen verspottet, weil sie das Offensichtliche nicht verstehen können (ich habe das als AABA beschrieben). So geschah es dann in den 70ern auch den Forschen, die nicht an den universellen Anspruch des Dogmas glauben wollten und meinten, es könnten doch Hintertürchen für den Rückfluss an Informationen existieren. Gerade ein Forscher glaubte da stur, demnächst Wege zu finden. Was ihm reichlich Kritik eintrug.

In den 80ern allerdings trat eine rätselhafte Krankheit auf. Man konnte sich in vielerlei Hinsicht keinen Reim darauf machen. Die Dogmen lieferten keine Antwort, und so starben die Menschen. Aber wie immer ist eine Krise die beste Gelegenheit für das bisher Unterdrückte. Denn es gab Erklärungen für die Krankheit, nämlich wenn man einen Virus annimmt, der die Information gegen die normale Richtung schreiben kann, weshalb er auch Retro-Virus heißt. Ohne das Dogma in Teilen zu kippen, konnte man die Krankheit weder verstehen, noch über Heilung nachdenken. Der verspottete Forscher der 70er wurde zum Superstar. Die Krankheit heißt AIDS, der Forscher Robert Gallo.  

Die Aussage der hier im Blog erzählten Geschichten ist, dass wir in Krisen und Sackgassen laufen, wenn wir vergessen, dass wir die meisten Spielregeln und Gesetze selbst erfunden haben. Wenn nicht wir persönlich, dann irgendein Vergessener. Also sollten wir uns im fröhlichen vorbeugenden Zerlegen von Spielregeln üben.

Ein Beispiel in meinen Vorträgen ist jetzt, sich eine Situation in der Zukunft zu überlegen, in der die steigende Kurve von CO2 in der Atmosphäre plötzlich knickt und radikal abfällt, so radikal, dass die Politik beschließt, Unternehmen und Menschen dafür zu bestrafen, dass sie zu wenig  CO2 produzieren …